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Leuna sucht die Super-Alge

MZ 11.06.2016

Unscheinbar an der Bundesstraße 91 bei Leuna steht ein Gewächshaus, auf das gleich mehrere Industriezweige ihre Augen richten. Die Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Chemisch-Biologische Prozesse, kurz CBP, suchen hier nämlich nach der Super-Alge, die sowohl der energetischen Nutzung dient als auch wertvolle Wirkstoffe für Ernährung und Kosmetik liefert. 

Das Problem daran: Bislang sind nur geringe Bestandteile der Algen für die Wissenschaft nutzbar, was die Kultivierung sehr kostspielig macht. „Ursprünglich war die Idee, dass die Mikroalgen fossile Energieträger ergänzen und später vielleicht sogar ersetzen können“, erklärt Betriebsingenieur Gordon Brinitzer. Dieser Hype habe sich inzwischen allerdings gelegt. Denn im Moment koste ein Kilo Algen aus Freilandzüchtung zwei Euro. Bei im Labor kultivierten Algen sind sogar Preise von bis zu zehn Euro je Kilo möglich. „Wenn Sie das mit den Preisen an der Tankstelle vergleichen, macht das ökonomisch keinen Sinn“, sagt der Wissenschaftler. 

Ziel der Forscher von Fraunhofer in Leuna ist es nun zum einen, die Erträge bei der Algenernte zu erhöhen. Zum anderen soll möglichst die komplette Alge genutzt werden, indem die bisherigen Stoffe in einer Art Bio-Raffinerie doch noch zur Energiegewinnung herangezogen werden. „Wir können die Technologie jedoch nur kommerzialisieren, wenn wir aus den wenigen Stoffen, die zum Beispiel für die Kosmetikindustrie von Bedeutung sind, viel Wert ziehen.“ 

Bislang ist es nämlich so, dass aus unterschiedlichen Algenarten bestimmte Wirkstoffe extrahiert werden, die aufgrund des Aufwands für viel Geld gehandelt werden. Einer der teuersten Stoffe ist etwa der Wirkstoff Astaxanthin. Diesen bildet die Haematococcus-Alge. In der Lachszüchtung sorgt er dafür, dass die Fische besonders rot erscheinen. Angewendet beim Menschen soll er unter anderem stressresistenter machen sowie chronische Entzündungen lindern. „Das Kilo Astaxanthin wird derzeit für bis zu 3.000 Euro gehandelt“, sagt Brinitzer. 

Nach dem Extrahieren des Stoffes bleiben große Mengen Reste zurück, die die Forscher für die Bio-Raffinerie nutzen wollen. „Mit den hohen Erlösen aus den wertvollen Wirkstoffen könnte man die Forschung an den Reststoffströmen finanzieren“, meint Brinitzer. Auch wenn die Wissenschaft sich nur mit fünf bis acht der mehreren Hunderttausend existierenden Algenstämmen ausgiebig befasst, lassen sich daraus viele solcher Wirkstoffe gewinnen. Der CBP-Forscher zählt etwa Carotinoide, Omega-3-Fettsäuren und Co-Enzyme auf. „Mich persönlich interessieren dabei Kosmetika weniger als die Lebensmittelindustrie“, sagt Brinitzer. „Wobei man mit Stoffen aus der Chlorella-Alge womöglich etwa das im Verruf geratene Palmöl, das in vielen Cremes enthalten ist, ersetzen könnte.“ Übrigens: Viele haben womöglich bereits ohne ihr Wissen Algenbestandteile verzehrt. Das Unternehmen Haribo setzt für seine blauen Gummibärchen ein entsprechendes Protein aus der Spirulina-Alge als Farbstoff ein. „Auch bei Waldmeister, das in großen Mengen giftig ist, können Algen als Farbstoffgeber dienen.“ 

Um die Kultivierung der verschiedenen Stämme optimieren zu können, testen Wissenschaftler in Leuna in der speziellen Versuchsanlage die unterschiedlichsten Bedingungen aus. Dank genau überwachter Parameter wie Licht, Nährstoffzusätze und Temperatur ist der Ertrag hier bis zu zehnmal höher als im Freiland.