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Kraftwerk für Energiewende

MZ 02.03.2020

Die Energiedebatte in Sachsen-Anhalt ist in den vergangenen Monaten auf der einen Seite vom Ausstieg aus der Braunkohle bestimmt gewesen. Ende 2034 soll das Kohlekraftwerk Schkopau (Saalekreis) vom Netz gehen, damit endet auch der Braunkohleabbau in Profen (Burgenlandkreis). Auf der anderen Seite stockt aktuell der Ausbau der Windkraft. Bürgerproteste gegen neue Anlagen, knappe Flächen und ein kompliziertes Fördersystem haben den Neubau von Windrädern fast zum Erliegen gebracht.

Aus Klimaschutzgründen sollen alte Energien, etwas die Braunkohle, weichen, die erneuerbaren Energien können diese aber noch nicht vollständig ersetzen. Daher rückt Erdgas als Übergangstechnologie bundesweit in den Fokus. Die Chemieparkgesellschaft InfraLeuna kündigt nun gegenüber der MZ an, ihre Gaskraftwerksaktivitäten deutlich auszubauen. Noch im April solle mit dem Bau eines neuen Kraftwerksblocks begonnen werden, sagte InfraLeuna-Chef Christof Günther. Dazu würden 145 Millionen Euro investiert.

Die Chemieparkgesellschaft hat in den vergangenen Jahren ihre Energieversorgung umgebaut. Neben zwei bestehenden Gas-Kraftwerken liefert auch eine Müllverbrennungsanlage Dampf, den die Chemie-Unternehmen am Standort benötigen. In einem der beiden bestehenden Gaskraftwerke werden sowohl Strom als auch Dampf erzeugt. "Dadurch erreichen wir Wirkungsgrade von 90 Prozent", so Günther. Das ältere Kraftwerk soll nach seinen Worten nun modernisiert werden. So werde eine neue Gasturbine mit rund 60 Megawatt und eine neue Dampfturbine mit 20 Megawatt Leistung installiert. Insgesamt werde die Leistung der Anlage bei 120 Megawatt liegen.

"Das neue Kraftwerk kann Dampf für die Chemie am Standort produzieren, jedoch auch reine Elektrizität für die Stromversorgung Sachsen-Anhalts liefern", erläutert Günther. Innerhalb von 15 Minuten könne es angefahren und auf volle Leistung gebracht werden. "Mit der Anlage, die 2022 den Betrieb aufnehmen soll, können wir wind- und sonnenarme Stunden ausgleichen", so Günther. Die Leistung reiche rechnerisch aus, um 300.000 Haushalte zu versorgen.

Errichtet wird die Anlage von der Kraftanlagen München GmbH. Deren Geschäftsführer Alexander Gremm sagt: Es handle sich um ein effizientes, schnell regelbares Kraftwerk. "Der Auftrag von InfraLeuna ist ein weiterer Meilenstein für die Kraftanlagen Gruppe und die Energiewende." Bereits jetzt verkauft InfraLeuna einen Teil des produzierten Stroms am freien Markt. "Wir liefern Strom, wenn dieser knapp ist", so Günther. Zu diesen Zeiten seien die Preise besonders hoch. "Unsere Gaskraftwerke sind dadurch auch profitabel", so der Standortchef. Er geht davon aus, dass mit dem Ende der Atomkraft in Deutschland bis 2023 und der schrittweisen Abschaltung der Kohlekraftwerke der Strombedarf aus Gaskraftwerken weiter steigen wird.

Der neue Kraftwerksblock dient auch zur sicheren Energieversorgung des Industriestandortes. Neben 30 produzierenden Chemie-Unternehmen sind in Leuna mehr als 100 Dienstleister und Forschungseinrichtungen tätig. 10.000 Beschäftigte arbeiten in diesen Firmen. Ende Januar 2020 kündigte das finnische Unternehmen UPM an, in Leuna für 550 Millionen Euro eine neue Bioraffinerie zu bauen. In der Fabrik sollen Biochemikalien aus Laubholz produziert werden. "Unsere flexible Energieversorgung war bei der Entscheidung der Finnen ein wichtiges Kriterium", so Günther. So liefere beispielsweise die Müllverbrennungsanlage günstig Dampf, wenn sich der Betrieb der Gaskraftwerke aufgrund niedriger Börsenstrompreise nicht lohne.

Mit dem neuen Kraftwerksblock schafft InfraLeuna laut Günther nun die Voraussetzung, auch weitere Investoren, die sich in den nächsten Jahren ansiedeln könnten, mit Energie zu versorgen. Günther verweist darauf, dass die Doppelfunktion der Kraftwerke, einerseits zur eigenen Versorgung und andererseits als Lieferant im freien Markt, sie wirtschaftlich erfolgreich macht. Da Gaskraftwerke weniger CO2 freisetzen als Kohlekraftwerke, werde auch der Ausstoß von klimaschädlichen Emissionen gesenkt.