Standort trotzt der Krise
MZ 12.01.2013
Der Chemiestandort Leuna ist auf Wachstumskurs. Trotz internationaler Turbulenzen konnten sich die meisten Firmen im Wettbewerb behaupten. Auch die Standortbetreibergesellschaft InfraLeuna zieht ein positives Fazit über das Wirtschaftsjahr 2012. MZ-Redakteur Dirk Skrzypczak hat mit Geschäftsführer Dr. Christof Günther gesprochen.
Seit 1. Januar zahlen Haushalte mehr für die Kilowattstunde Strom und subventionieren damit die Wirtschaft, die sich vor höheren Umlagen drückt. So kritisieren es jedenfalls Umweltschützer.
Dr. Günther: Ich bin froh, dass wir dieses Thema mal klären können. Eine Freistellung von Umlagen oder Steuern gibt es für uns nicht. Alleine für die Erneuerbaren Energien zahlt der Standort elf Millionen Euro pro Jahr. Wir haben aber in den meisten Fällen besondere Ausgleichsregelungen. Energieintensive Firmen zahlen bei der Ökostromumlage einen Sockelbetrag voll, darüber hinaus dann einen ermäßigten Satz.
Nun betreibt die InfraLeuna seit Jahren ein Energiemanagement. Wie erfolgreich ist das?
Dr. Günther: Energie einzusparen, ist für uns existenziell. Da brauchen wir nicht den Gesetzgeber, der uns darauf hinweist. Die Unternehmen am Standort benötigen mehr Energie als alle Einwohner von Halle, Dessau und Magdeburg zusammen. Den Firmen am Standort auch künftig Strom absolut verlässlich zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten zu können, ist eine Herausforderung, der wir uns stellen. Im vergangenen Jahr war in Deutschland die Stromversorgung im Schnitt 15 Minuten unterbrochen. Am Standort waren es 0 Minuten.
Die weltweiten Rahmenbedingungen sind kompliziert. Eine Krise jagt die nächste. Wie hat sich der Standort 2012 behauptet?
Dr. Günther: Die hier ansässigen Firmen haben unter sehr schwierigen Bedingungen ihre Positionen in den internationalen Märkten verteidigt und sind, was wir wissen, gut ausgelastet. Für die InfraLeuna-Gruppe ist es ein erfolgreiches Jahr gewesen. Wir erwarten einen Umsatz von 320 Millionen Euro und damit etwas mehr als 2011. Das ist natürlich positiv und auch ein Ausdruck der engagierten Arbeit unserer Mitarbeiter.
Nun brachte das vergangene Jahr auch Schattenseiten. Im April hatte die Firma Momentive angekündigt, ihre Formaldehyd-Leim-Anlage zu schließen.
Dr. Günther: Diesen Schritt hatten wir sehr bedauert, schließlich waren auch 80 Arbeitsplätze betroffen. Wir haben uns daraufhin bemüht, einen Investor für die Anlage zu finden. Leider vergeblich.
Sie haben das positive Geschäftsjahr der InfraLeuna angeschnitten. Wo liegen ihre Stärken?
Dr. Günther: Unser Ziel als Unternehmen muss es sein, schnell auf Entwicklungen der Märkte reagieren zu können. Und das ist gelungen. So konnte unser Logistikbereich sein Geschäft in den vergangenen Jahren ausweiten. Das hängt damit zusammen, dass wir verstärkt Transportaufgaben im öffentlichen Schienennetz realisiert haben. Auch die intelligente Steuerung unseres Kraftwerks zahlt sich aus.
Was haben Sie verändert?
Dr. Günther: Wir konnten unser Gasturbinenkraftwerk so flexibel fahren wie noch nie und haben die Möglichkeiten genutzt, die uns der Energiemarkt bietet. War Strom in den öffentlichen Netzen knapp, haben wir selbst ausgespeist. Sind die Preise an der Börse niedrig gewesen, dann haben wir unser Kraftwerk bis auf ein Minimum herunterfahren. So ist es uns gelungen, viele negative Entwicklungen aufzufangen und positive Effekte für unsere Kunden zu realisieren.
Zu einem Fazit gehört auch immer ein Ausblick. Sind neue Investitionen am Standort geplant?
Dr Günther: Gerade Neuansiedlungen hängen stark mit der Lage an den Weltmärkten zusammen. Nichtsdestotrotz sind wir in bei Akquise einiger Projekte. Mehr können wir derzeit aber nicht sagen. In den vergangenen zwei Jahren sind durch Unternehmen wie die Leuna-Harze GmbH aber auch DOMO Caproleuna, Fraunhofer-Gesellschaft oder ThyssenKrupp Uhde rund 200 Millionen Euro in neue Anlagen investiert worden. Es gibt keinen Stillstand.
Gibt es Neuigkeiten von Quinn Chemicals, ob das im Rohbau befindliche Werk demnächst fertigstellt wird und in Betrieb geht?
Dr. Günther: Konkretes können wir nicht berichten. Wir gehen davon aus, dass in dem Unternehmen in absehbarer Zeit eine Entscheidung fällt. Wir hoffen natürlich, dass sie positiv ausfällt. Das wäre für den Standort wichtig.
Momentan wird viel über Arbeitszeitmodelle und Demografie gesprochen. Am Standort arbeiten 9.000 Beschäftigte in über 100 Firmen. Was kann die InfraLeuna beitragen, dass die Bedingungen akzeptabel bleiben?
Dr. Günther: Wir sind an diesem Thema seit Jahren dran und unterhalten ein Servicebüro für den kompletten Standort. Für unsere eigenen Mitarbeiter bieten wir Programme zur Gesundheitsvorsorge an. Wir arbeiten an Konzepten, wie Arbeitsplätze und -aufgaben so gestaltet werden können, dass sie auch älteren Arbeitnehmern entgegen kommen.
Es gab die Idee, zu prüfen, ob am Standort eine zentrale Kita gebaut werden soll, damit Mitarbeiter aller Firmen ihre Kinder dort betreuen lassen können.
Dr. Günther: Mit dieser Alternative hatten wir uns intensiv beschäftigt und eine Umfrage am Standort gemacht. Und es stellte sich heraus, dass Eltern kleiner Kinder mit den Betreuungsmöglichkeiten im Umland zufrieden sind und ihre Kinder auch lieber in ihrem gewohnten Umfeld lassen wollen. Da bedurfte es keiner zentralen Einrichtung hier. Was wir aber immer wieder hören, ist der Wunsch nach flexiblen Betreuungszeiten.