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Pflanzen statt Stahl

MZ 11.07.2013

 

Thyssen-Krupp eröffnet in Leuna eine Anlage zur Produktion biobasierter Chemikalien.

Denkt man an deutschen Stahl, denkt man auch an Thyssen-Krupp. Doch nach teuren Fehlinvestitionen in Stahlwerke in Brasilien und den USA ist der Ruf lädiert und in der Konzernkasse herrscht Ebbe. Vorstandschef Heinrich Hiesinger eilt wahrscheinlich von Krisensitzung zu Krisensitzung. Da ist ihm der Abstecher gestern in den Chemiepark Leuna sicher willkommen gewesen. Hiesinger eröffnete zusammen mit Sachsen-Anhalts Wissenschaftsstaatssekretär Marco Tullner (CDU) eine Pilotanlage, die aus nachwachsenden Rohstoffen Chemikalien für die Kunststoffproduktion herstellt.

Zucker als Rohstoff

20 Millionen Euro hat die Tochtergesellschaft Thyssen-Krupp Uhde investiert, Peanuts im Vergleich zum weltweiten Konzernumsatz von rund 40 Milliarden Euro. Und dennoch: „Thyssen-Krupp ist längst nicht mehr nur Stahl“, sagte Hiesinger. Zwei Drittel des Umsatzes würden inzwischen mit dem Anlagenbau unter anderem für die Chemie und Aufzüge, im Auto- sowie Servicegeschäft erwirtschaftet. Mit der Investition in Leuna steige die Anlagenbautochter Uhde in ein neues Segment in der Chemie ein.

Derzeit basiert die weltweite Chemie vor allem auf den Grundstoffen Erdöl und Erdgas. Etwa sieben Prozent der Kunststoffe werden allerdings bereits auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen produziert. Joghurt-Becher und Plastiktüten aus Biokunststoff stehen schon in den Supermärkten. Noch sind die Biokunststoffe vergleichsweise teuer. „Dies wollen wir ändern“, sagte Joachim Schulze, Leiter Biotechnologie bei Thyssen-Krupp. Ziel sei es, aus Zucker - später aber auch aus Holz - Grundstoffe für die Kunststoff-Produktion zu gewinnen, die preislich konkurrenzfähig zu Erdöl sind.  

Nach Worten von Schulze ist die Pilotanlage in Leuna dafür ein wichtiger Schritt. In ihr sollen jährlich 1.000 Tonnen Milch- und Bernsteinsäure produziert werden. Als Ausgangsstoff dient zunächst Zucker. Durch Zugabe von Bakterien findet eine sogenannte Fermentation (Umwandlung organischer Stoffe) statt. Neben der Milchsäure wird auch Ammoniumsulfat hergestellt - ein Düngemittel. „Derzeit optimieren wir die Produktion“, sagte Schulze. An ähnlichen Verfahren arbeiten auch die Chemiekonzerne BASF und DSM (Niederlande). Thyssen-Krupp beabsichtigt jedoch nicht, in die Kunststoff-Produktion einzusteigen. „Wir wollen Großanlagen dafür verkaufen“, so Schulze. Deren Kapazität sei hundert Mal größer als der Pilot in Leuna. Einen Abnehmer für ein Industriewerk habe man bereits in Asien. Bisher fertigt Thyssen-Krupp Uhde vor allem Düngemittel- und Erdöl-Anlagen.

Betrieb der Anlage outgesourct

Dass sich Thyssen-Krupp für den Standort Leuna entschieden hat, liegt nach Angaben von Schulze an der guten Infrastruktur im Industriepark. Das Unternehmen erwarb eine bestehende Chemie-Anlage, die umgebaut wurde. Den Betrieb des Werkes übernimmt Thyssen-Krupp nicht selbst, sondern hat ihn an die Firma BioChem-Leuna Betreibergesellschaft (BCLB) vergeben. „Während wir uns um die Produktion kümmern, kann sich Thyssen-Krupp auf Forschung und Entwicklung konzentrieren“, sagt BCLB-Chef Rainer Mahn. 

Die Neuansiedlung passt perfekt in das Konzept zur Weiterentwicklung des Chemiestandortes. Erst im vergangenen Jahr eröffnete in Leuna das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP, das an der Verwendung nachwachsender Rohstoffe für die Chemie anwendungsbezogen forscht. „Die Ansiedlung von Thyssen-Krupp macht deutlich, dass wir uns hier klare Standortvorteile für Zukunftstechnologien erarbeitet haben“, sagte Staatssekretär Tullner. Er hofft, dass es nicht nur bei der Pilotanlage bleibt.