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Leuna wird entgiftet

MZ 07.05.2013

An Sachsen-Anhalts größtem Chemiestandort in Leuna werden große Anstrengungen unternommen, um gefährliche Altlasten aus DDR-Zeiten zu sanieren. So geht in diesem Jahr auf einer Fläche zwischen den ehemaligen Leuna-Werken und der Saale eine bisher einzigartige Anlage in Betrieb, die die Aufbereitung von kontaminiertem Wasser effektiver möglich machen soll. Im Oktober soll der neue Filter zwischen dem Chemiepark und der Saale bis zu 600 Kubikmeter Wasser pro Tag reinigen. Das Projekt mit dem Namen Cotra wird vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) vorangetrieben. Seit 2007 läuft am gleichen Standort bereits eine Forschungs- und Pilotanlange.

Für neue Investoren ist die Beseitigung von Altlasten immer eine der Kernfragen", sagt Christof Günther, Geschäftsführer der Standort-Betreibergesellschaft InfraLeuna. Neue Unternehmen wollen nicht auf verseuchtem Boden bauen. Zum einen geht es um den Schutz ihrer Mitarbeiter. Allerdings wollen sie auch etwaige Kosten für die Altlastensanierung vermeiden. Es sind Fragen der Verantwortlichkeit und des Umweltschutzes, die für Investoren eine zentrale Rolle spielen, so Günther.

Da in Sachsen-Anhalt mit dem ehemaligen Chemiedreieck Leuna-Buna-Bitterfeld besonders hohe Schadstoffbelastungen im Boden und Grundwasser bestehen, wurde bereits Anfang der 1990er Jahre die Landesanstalt für Altlastenfreistellung (LAF) gegründet. Die Institution koordiniert im Auftrag der Landesregierung die Wiederbelebung von Industriestandorten und soll den Weg von Investoren in das Land erleichtern. "In Leunas Boden sind die besonders stark belasteten Bereiche inzwischen saniert", erklärt Martin Keil, Geschäftsführer der LAF. Seit 1990 seien fast 80 Millionen Euro nach Leuna geflossen, um Böden und Grundwasser zu reinigen. Eine Brunnengalerie und eine Trennwand verhindern, dass die Chemikalien in die Saale gelangen.

Bisher musste das entnommene Grundwasser aufwändig behandelt werden, um es vor allem von Altlasten der ehemaligen Raffinerie zu befreien. Das sind unter anderem Benzol und MTBE (Methyl-tert-butylether). Vor allem Benzol ist giftig. MTBE ist zwar ungefährlich, hinterlässt allerdings einen unangenehmen Geruch und Geschmack im Wasser.

Eine Forschungsgruppe des UFZ hat nun das neue Verfahren entwickelt. "Die Sanierung ist in Mini-Ökosysteme integriert", beschreibt Projektleiter Manfred van Afferden die neuen Filter. 300 bis 600 Kubikmeter Grundwasser sollen pro Tag durch ein Granulat verschiedener Körnung fließen. Dort übernehmen dann erst vor einigen Jahren entdeckte Mikroorganismen die eigentliche Arbeit. "Die Schadstoffe werden zu 100 Prozent in Wasser und CO2 umgewandelt", so van Afferden. Das spare aufwändige Pumpen, Energie und Wartungsarbeiten. "Wir rechnen mit einer Kostenersparnis von 40 Prozent", meint Martin Keil.

Doch das Verfahren erfordert Geduld und wird auch kommende Generationen beschäftigen: Mindestens 20 Jahre soll das Wasser durch die Filter fließen, 365 Tage im Jahr. Das Projekt könnte Schule machen. MTBE ist im Boden vieler Chemiestandorte zu finden - das Interesse an der neuen Sanierungsmethode ist groß - nicht nur in der Indsutrie. Van Afferden stellt heute das Projekt als Finalist für den IQ Innovationspreis Mitteldeutschland vor.