Favorit Leuna
MZ 23.11.2022
Der Chemiestandort Leuna darf sich große Hoffnungen auf das Großforschungszentrum CTC machen. Bei einer Pressekonferenz zum dem aus dem Strukturwandel geförderten 1,2-Milliarden-Projekt machten sowohl Projektleiter Peter Seeberger als auch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD) deutlich, dass der Chemiepark im Saalekreis ihr klarer Favorit ist. Die finale Entscheidung liege zwar beim Bund, erklärte Haseloff, betonte aber: "Die Voraussetzungen in Leuna sind bisher am besten gegeben." So seien etwa schnell nutzbare Gebäude vorhanden. Willingmann verwies auf bereits existierende Forschungseinrichtungen wie Fraunhofer-Institute und Neuansiedlungen aus der Biotechbranche, etwa UPM. Investitionen und Forschung, die in die Stroßrichtung des "Center for the Transformation of Chemistry", Zentrum für Transformation der Chemie, gehen. Das CTC soll perspektivisch Wege für eine chemische Kreislaufwirtschaft durch Recycling aufzeigen. Der Verbrauch von fossilen Rohstoffen wie Erdöl und -gas soll deutlich verringert werden.
Der klimaneutrale Umbau der Branche könnte in 15 Jahren mehr als 10.000 Arbeitsplätze in der Region schaffen, wagte der Gründungsdirektor des CTC eine vorsichtige Prognose. "Wir erwarten, dass Hunderte neuer Firmen entstehen." Das Forschungszentrum soll dafür ab 2026 gleich vier Funktionen wahrnehmen: Grundlagen- sowie Anwendungsforschung für die Industrie, Ausgründungen und Ausbildung. Seeberger will sich perspektivisch auf Augenhöhe mit dem renommierten US-Institut MIT bewegen und berichtete, dass für Ausgründungen bereits ein Topf mit 150 Millionen Euro Risikokapital bereits stünde. Haseloff bezeichnete die Institutsgründung als "Lottogewinn". Die Einrichtung werde helfen, Sachsen-Anhalts Defizit in der Forschung zu beheben.
Das Land teilt sich das CTC aufgrund der Lage der bisherigen Kohlereviere mit Sachsen im Verhältnis 30:70. Das Hauptquartier entsteht in Delitzsch. Der Nebenstandort in Sachsen-Anhalt mit bis zu 300 Stellen war bisher offen. Im Rennen waren auch die Chemieparks Zeitz und Bitterfeld-Wolfen. Sie sollen, das machte Haseloff deutlich, künftig ebenso wie Schkopau auch von der Arbeit des CTC profitieren.
Dass sich die Landesregierung am Dienstag aber so klar pro Leuna positionierte, überraschte die Verantwortlichen dort - angenehm. Christof Günther, Geschäftsführer des Betreibers InfraLeuna, reklamierte mit Verweis auf laufende Investitionen in die Biochemie und effiziente Enrgiesysteme eine Spitzenposition bei der Transformation der Chemie für seinen Standort. Daher habe man sich frühzeitig in die Konzeptentwicklung des CTC eingebracht. In Verbindung mit dem bereits Vorhandenen habe es das Potenzial, der "chemischen Industrie in Mitteldeutschland einen gewaltigen Schub in Richtung Zukunft zu geben", sagte Günther. Er betonte, man können der Einrichtung sehr rasch benötigte Labor- und Büroflächen zur Verfügung stellen, da die Infra derzeit ohnehin ein Bestandsgebäude für neue Labore der eigenen Analytikabteilung ausbaut.
Wissenschaftsminister Willingmann erhofft sich auch eine enge Zusammenarbeit des CTC mit den Hochschulen im Land, vor allem der Uni Halle und der Hochschule Merseburg. Deren Rektor Markus Krabbes hat hörbar Lust darauf: "Sie sind herzlich willkommen." Am besten sollte das CTC so nah wie möglich am Campus der Hochschule entstehen. "Denn ein Forschungsstandort lebt von der Nähe zu Studierenden." Das kenne er aus seiner Arbeit. Die Mitarbeiter der Institute würden oft die Ideen entwickeln und Mittel einwerben. "Viel Arbeit wird dann jedoch von den Studierenden gemacht." Krabbes hofft, dass das CTC der Hochschule überregional zu mehr Bekanntheit und damit Studenten verhilft. Sowohl bei den Studiengängen als auch bei den Forschungsschwerpunkten habe man schon viel Schnittmenge zum Großforschungszentrum, verwies der Rektor etwa auf den Bereich Green Engineering.