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Wechsel gelungen

MZ 06.06.2019

Der bundesweite Kohleausstieg soll 2038 kommen. Für die Kumpel sollen bis dahin mit viel Geld neue Arbeitsplätze in der Industrie geschaffen werden, so das Ziel. Kann das funktionieren? Ja, wie ein Beispiel aus dem Geiseltal zeigt.

Henry Daute aus dem Müchelner Ortsteil Stöbnitz arbeitet seit 35 Jahren als Lokführer. Die Hälfte dieser Zeit war der Braunkohletagebau im Geiseltal sein Arbeitsplatz. Nahtlos ging es dann für den heute 54-Jährigen bei der InfraLeuna GmbH weiter, wo er bis heute beschäftigt ist. 

Dabei war Lokführer gar nicht sein Traumberuf, erzählt Henry Daute. Er ist eigentlich Elektriker und war innerhalb des Braunkohlekombinats zunächst in Braunsbedra eingesetzt. Es kam dort aber zu einer Umstrukturierung. Ihm wurde die Umschulung zum Lokführer angeboten. Dann könne er im Geiseltal bleiben, hieß es. Der Stöbnitzer akzeptierte.

Durch den gesamten Tagebau fuhr er dann die Kohlezüge und auch das Schwarze Gold in die Brikettfabriken oder er bediente Stellwerke, wohl wissend, dass von seiner Arbeit die anderen Wirtschaften der DDR abhängig waren. Als 1993 der letzte Kohlezug rollte, stand zwar nicht Henry Daute im Führerstand, aber hatte an dem Tag Schicht. "Da war Wehmut dabei", erinnert er sich.

Immerhin ging es für ihn weiter. Noch einmal ging er auf die Schule, lernte auch Dieselloks zu fahren. Die anschließende Sanierung und der Rückbau des Tagebaugeländes wurden seine neue Aufgabe. Die Loks fuhren praktisch die hinter ihnen abgebauten Gleisen, den Schotter und die Masten fort, bis nichts mehr da war. Ein Abschied auf Raten, sagt er. Es gab mehrere große Entlassungswellen. "Es wurden immer weniger Leute. jeder hoffte, er bleibt dabei. Das war eine schwere Zeit. Ich hatte Glück Ich bin bis zum Schluss dageblieben", denkt der 54-Jährige zurück. 

Sein letzter Arbeitstag im Tagebau war am 31. Januar 2000. Am 1. Februar fing er bei der InfraLeuna an. Den neuen Job hatte er sich selbst gesucht. Er reagierte auf eine Zeitungsannonce in der MZ, wo Lokführer für Leuna gesucht wurden. "Das Vorstellungsgespräch lief gut. Am nächsten Tag hatte ich die Zusage."

Dass er nie Arbeitslosigkeit am eigenen Leib kennenlernte, will er aber nicht als Glück bezeichnen. "Meine Eigeninitiative hat da geholfen." Das will er auch den Kumpels mit auf den Weg geben, denen nach wie vor die Kohle ihren Lebensunterhalt sichert. Aber Henry Daute weiß auch: "Es wird wieder nicht für alle reichen." Dass diejenigen Geiseltaler, die damals ihre Arbeit verloren, vor allem wütend waren, weiß er noch sehr gut.

An sein erstes Arbeitsleben erinnert sich Henry Daute bis heute gern zurück. Im Tagebau sei es kumpelhaft gewesen. Brigadeabende sind ihm im Gedächtnis geblieben. Der riesige Zusammenhalt hatte ihn auch beeindruckt. "Es gab im Umgangston nur das Du." Das Kollegiale sei für ihn das Faszinierende gewesen. Was seine Erinnerung so schön macht, ist aber sicher auch die Tatsache, dass er seine Frau auf Arbeit kennenlernte. Auch sie war Lokführerin. In wenigen Tagen ist ihr 33. Hochzeitstag.

Und sein Beruf? Der sei dann doch zum Traumberuf geworden, sagt der Lokführer. "Man übernimmt Verantwortung und ist dabei auf sich allein gestellt, muss selbständig arbeiten. Das ist das, was einen fordert." Und hier bei der InfraLeuna fühle er sich wunderbar aufgehoben. Er können diesen Job nur empfehlen. Stellen als Lokführer sind bei seinem Arbeitgeber übrigens noch frei.