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Solarpark für die Chemie

MZ vom 15.12.2021

Erstmals soll in Sachsen-Anhalt die chemische Industrie direkt und in größerem Umfang mit grünem Strom aus der Region beliefert werden: Der Landwirtschaftsbetrieb AVG Mücheln am Rande des Geiseltalsees plant zusammen mit dem Gase-Hersteller Linde und der Chemieparkgesellschaft InfraLeuna einen Solarpark, der Industriebetriebe in Leuna mit Energie versorgen soll. "Wir planen ein Doppelnutzungskonzept", sagte AVG-Geschäftsführer Constantin von Reitzenstein am Dienstag der MZ. Die Photovoltaikflächen würden weiter landwirtschaftlich genutzt. Konkret sollen in den Anlagen mobile Biohühnerställe errichtet und die Eier regional vermarktet werden. "Wir wollen auf allen Ebenen regionale Kreislaufsysteme etablieren", so von Reitzenstein. Zur geplanten Größe des Solarparks äußerte sich der Landwirt allerdings noch nicht: "Das hängt von der bevorstehenden Studie zur Raumverträglichkeit und dem Bedarf der Chemieindustrie ab."

Ein fester Projektpartner ist bereits der Chemie-Konzern Linde. Dieser baut derzeit in Leuna die weltgrößte Elektrolyseanlage mit einer Leistung von 24 Megawatt zur Produktion von grünem Wasserstoff. Wasserstoff ist ein wichtiger Rohstoff für viele Chemiefirmen und wird bisher mit Erdgas erzeugt. Dieses werde bei der neuen Anlage durch grünen Strom ersetzt, erklärte Joachim Heider, Linde-Direktor Nord-Ost. "Den Solarstrom der AVG Mücheln wollen wir direkt über eine Leitung beziehen", so Heider weiter. Noch sei unklar, wo genau der neue Solarpark gebaut werden soll. Im Blick sind laut von Reitzenstein mehrere Flächen entlang des Bahndamms zwischen Mücheln und Braunsbedra.

Auch die Chemieparkgesellschaft InfraLeuna hat Interesse an dem Projekt. "Viele Chemiefirmen am Standort prüfen, ihre Produkte künftig mit klimaneutralem Strom herzustellen", sagte Martin Naundorf, Bereichsleiter Vertrieb bei der InfraLeuna. Er sieht einen Bedarf im "hohen zweistelligen Megawattbereich". Das heißt, allein die Chemieindustrie in Leuna könnte womöglich 100 Megawatt nachfragen. Als Faustregel in der Branche gilt dabei: Für ein Megawatt Strom sind Photovoltaik-Anlagen auf einem Hektar Fläche notwendig. Für 100 Megawatt sind somit etwa 100 Hektar Land notwendig, was etwa 140 Fußballfeldern entspricht.

Braunsbedras Bürgermeister Steffen Schmitz (CDU) steht dem Projekt, das bereits im Stadtrat vorgestellt wurde, aufgeschlossen gegenüber: "Die Wertschöpfung bleibt in der Region." Nach seinen Angaben sollen auch die Bürger der Region direkt vom Solarpark profitieren. "Die Bürger sollen vergünstigt Strom bekommen", so Schmitz. Zudem könnten sie auch in das Projekt investieren. Werden die Genehmigungen alle erteilt, könnte im Sommer/Herbst 2023 Baustart sein.

Für Carl-Philipp Bartmer, zweiter AVG-Geschäftsführer, ist wichtig, dass die Flächen nicht der landwirtschaftlichen Nutzung verloren gehen. "Dort, wo derzeit Weizen oder Raps angebaut wird, sind dann Hühner auf Grünland", so der Landwirt. Zudem könnten die Solaranlagen nach Ende der Nutzungsdauer auch wieder problemlos entfernt werden. Dieses Konzept der Doppelnutzung sei bisher noch die Ausnahme in Deutschland.

Immer mehr Industriefirmen setzen bei der Energiewende auf grünen Strom. Für eine CO2-ärmere Produktion plant beispielsweise der Chemiekonzern BASF an seinem Lausitzer Standort Schwarzheide (Brandenburg) die Errichtung eines Solarparks. Gemeinsam mit dem Energieversorger Envia-M soll eine Photovoltaik-Anlage nahe dem Werksgelände auf einer Fläche von 24 Hektar entstehen.

Die neuen Solarparks kommen dabei ohne staatliche Subventionen aus. "Die Preise für Solarmodule sind in den vergangenen Jahren um 80 Prozent gesunken, so dass Strom aus Photovoltaik wettbewerbsfähig geworden ist", sagte zuletzt Jörg Dalke, Leiter des Landesverbandes Erneuerbare Energien Sachsen-Anhalt, der MZ. Die größeren Solarparks würden die Kilowattstunde Strom inzwischen für fünf bis sechs Cent produzieren. In diesen Größenordnungen rechnet auch die AVG Mücheln. Linde-Manager Heider erklärte dazu: "Mit solchen Preisen können wir leben."