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Der Kleber der Windkraft

MZ 23.07.2022

Beim Thema nachhaltige Chemie geht Klaus Paur als erstes ins Foyer des flachen Verwaltungsbaus. Dort hängt eine gerahmte Urkunde der Deutschen Industriebank. "Green Loan Certificate" steht darauf. "Das heißt, wir haben eine Investition mit hoher Energieeffizienz getätigt", erklärt der Geschäftsführer der LEUNA-Harze GmbH stolz. Das Unternehmen stellt am Chemiestandort in erster Linie Epoxidharze her, die in der Bauindustrie zum Einsatz kommen, als Ausgangsmaterial für Klebstoffe. Vor allem sind sie aber wichtiges Material für die Herstellung der Flügel von Windrädern. LEUNA-Harze ist mit einer Jahresproduktion von mittlerweile 70.000 Tonnen Epoxidharz nach Angaben seines Chefs der größte Produzent in Europa - und der einzige, der das Produkt auch in Grün kann.

Die Fabrik von LEUNA-Harze besteht aus mittlerweile vier Werksteilen. Für den Laien sehen die alle recht ähnlich aus. In oder vor großen Hallen stehen meterhohe Edelstahlbehälter, in die dünne Rohrleitungen münden. In der eigentlichen Harzproduktion sind oben auf den Behältern teilweise Motoren angebracht, denn dort muss viel gerührt werden. Es sind vor allem zwei Ausgangsstoffe, die an dieser Stelle miteinander reagieren: Epichlorhydrin und Bisphenol. Von letzterem gibt es zwei Sorten, A und F. "Bisphenol A kaufen wir am Markt", sagat Paur. "Bisphenol F stellen wir selbst her." Seit vergangenem Jahr in drei Anlagen. Zu den den bisherigen beiden aus der Mitte der 2000er gesellte sich eine dritte. Für die gab es die grüne Urkunde. "Durch sie verbrauchen wir im Jahr etwa 4.000 Tonnen Dampf weniger." Bei gleicher Produktionsmenge eine Einsparung von zwei Dritteln. Den Dampf bezieht LEUNA-Harze zum Teil aus der Müllverbrennungsanlage am Standort, zum Teil vom Standortbetreiber, der InfraLeuna. Die versorgt das Unternehmen aus ihrem Gaskraftwerk auch mit erheblichen Strommengen, die etwa für die Elektrolyse benötigt werden. Paur erörtert: "Wir brauchen in etwa so viel Strom wie die Stadt Merseburg."

Für das zweite Vorprodukt Epichlorhydrin gibt es zwei Herstellungsverfahren. Beim konventionellen Weg wird es aus Propylen, also letztlich indirekt aus Rohöl, gewonnen. Der zweite, der grüne Weg, ist die Herstellung über das Vorprodukt Glycerin. "Das ist ein Nebenprodukt der Biodieselproduktion, wie es sie etwa in Zörbig gibt. Dabei entstehen etwas zehn Prozent Glycerin", erklärt Holger Henning, Leiter der Entwicklungsabteilung von LEUNA-Harze. In den Biodieselwerken könnten neben Rapsöl etwa auch gebrauchtes Küchenöl zum Einsatz kommen. In der Gesamtrechnung entstehe bei der Herstellung von Epichlorhydrin aus Glycerin nur die Hälfte des CO2 wie es auf dem konventionellen Weg entstehen würde. Das "grüne" Epichlorhydrin stellen die LEUNA-Harze selbst her. Die Anlagen, so betont Paur, seien alle im eigenen Unternehmen entwickelt. "Das ist unser Know-how", sagt der Chef und berichtet, dass den Kunden, gerade seit dem vergangenen Jahr, der geringere CO2-Ausstoß immer wichtiger werde. "Wir würden daher sehr gern unsere grünen Epichlorhydrinanlagen erweitern." Derzeit decken die etwa 40 Prozent der benötigten Gesamtmenge ab. Den Rest kauft das Unternehmen aus konventioneller Produktion dazu. Das bedeute zusätzlichen CO2-Ausstoß durch den Transport, sagt Paur. Der nächste Lieferant sitze 500 Kilometer entfernt in Westdeutschland, der weiteste in Japan.

Doch über Nacht kann LEUNA-Harze die Produktionskapazitäten für die umweltfreundlichere Variante nicht ausbauen. Paur rechnet mit einem Investitionsvolumen von gut 100 Millionen Euro. Zunächst bräuchte man dafür aber Genehmigungen. Die zu bekommen, sei nicht einfach. Und von dem Moment an, da diese vorliegen, vergingen bei optimistischer Schätzung noch drei Jahre bis zum Produktionsstart.

Auch deshalb blickt Paur skeptisch auf die Ausbauziele der Bundesregierung für Windkraftanlagen an Land: "Für ein Rotorblatt braucht es in etwas zehn Tonnen Epoxidharz, für ein Windrad also 30 Tonnen. Bei 2.500 Anlagen im Jahr sind das also grob 75.000 Tonnen. die Kapazitäten an Epoxidharz gebe es gar nicht.

Derweil hat LEUNA-Harze auch seine eigene Bisphenol-Herstellung weiter im Blick. Bei diesem Zwischenprodukt von fossilen Ausgangsstoffen wegzukommen, hält Entwicklungschef Henning allerdings für schwierig. Denn für die Bisphenol-Herstellung benötigt Leuna-Harze unter anderem Phenol. "Dies auf grüner Basis herzustellen ist schwer."

Das Unternehmen plant aber, energetisch noch effizienter zu werden und die beiden alten Anlagen für die Bisphenol-F-Produktion auf den Stand der neuen umzurüsten. So könnte das Unternehmen nochmals erhebliche Mengen Dampf einsparen. Geschäftsführer Klaus Paur sagt: "Wir brauchen Fantasie für die Zukunft. Es gibt noch genügend Platz um uns herum, da gibt es fast keine Limits."