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Aus Stroh werden Autoteile

Mitteldeutsche Zeitung vom 20.02.2012

Plastikflaschen aus Mais oder Einkaufstüten aus Holzresten sind im Supermarkt bereits erhältlich. Doch nicht nur das: Künftig könnte es auch Waschmittel aus Algen geben oder Autoteile aus Stroh. Überall dort, wo aus Erdöl Tenside oder Kunststoffe produziert werden, ließe sich dies rein chemisch auch mit nachwachsenden Rohstoffen bewerkstelligen. Einzig: Wirtschaftlich gelohnt hat sich dies in der Vergangenheit kaum. Steigende Erdölpreise machen die Bio-Rohsstoffe jedoch zunehmend interessant.
Sachsen-Anhalt versucht, dieses Forschungsfeld am Chemiestandort Leuna (Saalekreis) zu etablieren. Gestern ist man dem einen großen Schritt näher gekommen. Die Initiative "Bio-Economy" aus Sachsen-Anhalt und Sachsen gehört zu den fünf Siegern im dritten Spitzenclusterwettbewerb des Bundesforschungsministeriums.
Das Projekt, das sich auf die chemische Verwertung von Biomasse wie Mais, Holz oder Stroh konzentriert, erhält in den kommenden fünf Jahren 40 Millionen Euro Fördermittel. Hinzu kommt die gleiche Summe aus der Wirtschaft. Zu den mehr als 60 "Bio-Economy"-Partnern gehören etwa die Chemieunternehmen Total und Linde sowie auf wissenschaftlicher Seite das Fraunhofer-Institut. "In der Chemieindustrie wird die Nutzung von Biomasse aufgrund der Endlichkeit fossiler Rohstoffe auf lange Sicht eine große Rolle spielen. Sachsen-Anhalt besitzt die Chance, in diesem Bereich wirtschaftlich und technologisch in der ersten Liga mitzuspielen", sagte Landeswirtschaftsministerin Birgitta Wolff (CDU) gestern in Magdeburg.
Kernstück der Forschung soll das im Aufbau befindliche Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP) in Leuna sein. Bis Mitte 2012 soll dort eine Bioraffinerie entstehen, in der nachwachsende Rohstoffe im industriellen Maßstab erforscht werden. Allein dafür werden insgesamt 50 Millionen Euro investiert.
In Sachsen-Anhalt bietet der Mittelständler Folienwerk Wolfen bereits seit Jahren Bio-Folien an. Die kleine hallesche Firma Poly-Nature stellt aus Erbsen-Proteinen Folien her. Die Verpackungsindustrie hat Interesse an der Öko-Produktion.
Bisher ist der Einsatz jedoch spärlich, da Biofolien bei Eigenschaften wie Hitzebeständigkeit oder Belastbarkeit oft nicht an die Güte konventioneller Kunststoffe herankommen oder einfach zu teuer sind. Fraunhofer in Leuna will nun gerade kleinen Firmen die Forschung erleichtern.
Der Markt ist interessant. Gemessen am jährlichen Weltkunststoffverbrauch von 250 Millionen Tonnen liegt der Anteil von Biokunststoffen bei weniger als einem Prozent. Die Sparte wächst aber jährlich um mehr als 20 Prozent.